"Alles wird interessant, wenn man es lange genug betrachtet." (Gustave Flaubert)
Peter Oehlmann - Fotograf in Berlin und in der Schorfheide
1953 I geboren in Altenburg/Thüringen
1977-1982 I Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig, Diplom bei Evelyn Richter
1981-1983 I Mitglied der Gruppe 37,2
1993 I Mitbegründer der Fotografengemeinschaft ZeitOrt Bilddokumentation mit den
Arbeitsschwerpunkten Veränderung städtischer und ländlicher Räume / Architektur / Umwelt (bestand bis 1999)
2007 I Gründungsmitglied von BerlinPhotoWorkshops
verschiedene Lehrtätigkeiten I lebt als freischaffender Fotograf in Berlin und in der Schorfheide
Fotografieren ist mir zu einer Daseinsform geworden, die Kamera zum Instrument der Weltaneignung.
Umherstreifen, entdecken, innehalten, in Betrachtung versinken. Farben und Formen, Strukturen, Beziehungen ergründen. Das Motiv umkreisen, die Perspektive variieren. Das Vorher und Nachher des Ortes, der Situation imaginieren. Im Rechteck des Suchers das Bild erfassen, den Ausschnitt bestimmen, mit dem freien Auge das Umfeld im Blick behalten. Auslösen.
Im Ergebnis all dieser Verrichtungen entsteht eine Art respektvoller Verbundenheit mit dem Gegenstand meines Interesses, die ich also ebenso befriedigend erlebe wie das gelungene Bild.
Wir sehen, was wir wissen, heißt es. Fotografie ist für mich der Versuch, etwas zu sehen, was ich noch nicht weiß.
Landschaften faszinierten mich schon als Kind. Nicht nur die offenkundig schönen und erhabenen mit Überwältigungspotenzial, auch und vor allem die abseitigen, unspektakulären, die der Vereinnahmung durch die kindliche Phantasie nichts entgegenzusetzen hatten. So wurden der verwilderte Sportplatz zur endlosen Prairie und der Entwässerungsgraben zum Mississippi - das Abenteuer konnte beginnen.
Die Naivität des Kindes ist unterwegs abhanden gekommen, die Faszination und das Staunen sind geblieben.
Landschaft umgibt uns so selbstverständlich wie unsere Kleidung oder die Wohnung, in der wir leben. Allerdings gönnen wir ihr, von Ausnahmesituationen wie Reisen oder Urlaub abgesehen, weit weniger Aufmerksamkeit.
Das verwundert, da nach meiner Überzeugung die Landschaft uns
ebenso prägt wie wir sie. Einerseits weist jede noch so entlegene
Landschaft mittlerweile Spuren unseres Einflusses auf. Andererseits erfahren wir unsere Prägungen nicht nur durch unser soziales Umfeld, sondern auch durch die Landschaft, in der wir aufwachsen, in der wir leben oder zu leben gezwungen sind. Angesichts der lebensfeindlichen Gleichförmigkeit, die wir unseren Landschaften mehr und mehr aufzwingen, lässt das für die mentale Verfasstheit künftiger Generationen nichts Gutes ahnen.
Landschaften erzählen Geschichten, wenn man sich auf sie einlässt - und künden von Geschichte. Aber sie sind auch uneindeutig, bergen Rätsel und Geheimnisse.
Vegetation und Bebauung verweisen auf wirtschaftliche und politische Gebräuche, auf Kultur und Lebensweisen, und die Straßen, Gleise und Fernleitungen auf ein Beziehungsgeflecht. Es geht um uns und die Natur, die wir bis zur Unkenntlichkeit geordnet und vermeintlich unseren Zwecken nutzbar gemacht haben. Die Gestalt, die wir der Landschaft gegeben haben, lässt sich als kollektives Psychogramm unserer Spezies lesen. Doch unter den Brüchen und Verwerfungen treten sehr viel ältere Schichten zutage, die das Episodische unseres Daseins auf diesem Planeten unterstreichen.